Ausgabe 03 - 2000berliner stadtzeitung
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"Öffnen, einschalten und abschalten"

"Pudelträume" in den Sophiensaelen zeigt Esoterikschwachsinn

Sie wollen sich verändern? Gut so. Sie wissen nicht, wie sie das anstellen sollen, trauen sich aber nicht, in so ein Motivationsseminar zu gehen oder in eine beispielsweise brandenburgische Kulturhaushalle zu fahren, um zu hören, daß sie sich freimachen müssen. Und Volkshochschule ist zu peinlich? Es gibt ein Rezept, schnell eingelöst an der Theaterkasse in Form einer Eintrittskarte. Nur "Pudelträume" brauchen sie zu hauchen und alsbald sitzen sie mittendrin. Zusammen mit Felix und Volker und Rebekka und Karla und einigen Gästen, die grüppchenweise auf der Bühne sitzen. Sie alle sind Mitarbeiter einer Firma mit ganz vielen Telefonnummern und Außenstellen sonstwo. Sie sind jung, proper, gebildet und wissen ganz genau, wie´s so läuft. Wie man durch die kalte Küche zu den Eingeweiden kommt und dann gemächlich darin herumrührt. Aber nichts Konkretes sagt man nicht. Hier wird vorgeführt, womit diverse Organistionen kräftig Kohle machen: Mit Erklärungen für alles, die Leuten, die nicht so funktionieren können, wie sie sollten, scheinbar das Leben leichter machen.

Karla und Volker sind die Gurus, die immer irgendeinen hohlen Blödsinn quatschen können, der irgendwie toll klingt: "Öffnen, einschalten und abschalten" sollen sich die Änderungswütigen, die alle mal etwas mehr oder minder Verständliches dem Publikum zu sagen haben: Ein homosexuelles Pärchen klärt über die Art der Partnerwahl in diesen "Kreisen" auf: Gesicht, Körper, Geld, Prestige, die die Wertung von phantastisch über mittel bis Null bekommen können. Eine Frau spricht über Treue. Eine andere faltet, wenn sie nichts sagt, unentwegt und pedantisch Papierbögen. Sie ist über eine ABM dorthin gekommen. Der Trainee möchte auch sich verändern, aber nur ein bißchen, so daß er nicht immer seine Schlüssel verbummelt, zum Beispiel. Außerdem macht keiner seiner Freunde so etwas wie er.

Auf diese Weise werden verschiedene unspektakuläre Lebensläufe erzählt, was, wäre es ernst, wohl so etwas wie "Du bist nicht allein" sagen würde, im Bühnenformat einfach nur witzig ist.

"Pudelträume", ein Projekt von Schauspielabsolventen der HDK und Regisseur Dirk Cieslak, zeigt den ganzen Therapie - und Esoterikquatsch komprimiert. Mit inhaltsleeren aber wortreichen Monologen, mit esoterischen Selbstfindungstänzen in Gruppe, Wir-Gefasel und mit hohem Wiedererkennungswert: Wenn die Einpeitscher selber nicht mehr genau wissen, was sie eigentlich sagen wollten oder so unpräzise Formulierungen wie "das soo richtig Böse" anbringen. Wenn plötzlich das Angelernte der Teilnehmer sich in Phrasen verliert, ist das zum Brüllen komisch und traurig zugleich. Denn man lacht eigentlich über seine eigenen Unzulänglichkeiten. Und Dinge, die jeder schon einmal frei- oder unfreiwilig erleben mußte.

Ingrid Beerbaum

"Pudelträume" in den Sophiensaelen, Sophienstraße 18, noch bis 25.3., jeweils 20 Uhr

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