Ausgabe 05 - 1999berliner stadtzeitung
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Ärger in der Ackerstraße 150

Mieter und Eigentümer bezichtigen sich gegenseitig der Körperverletzung

"Zu verschenken: Baukran an Selbstabholer" - Zettel mit diesem Hinweis findet man zur Zeit an Bauzäunen und Hauseingängen in und um die Ackerstraße 150. In deren engen Hof steht er auch, der Kran, und überragt das Dach des Hauses um mehrere Meter. Interessenten haben sich, so erklären die Mieter, bereits gemeldet - abgeholt ist er freilich noch nicht. Es ist auch nicht zu raten, den der Kran gehört einer Firma, die ihn im Auftrag des Eigentümers auf dem Hof errichtete. Die Mieter drücken mit ihrer Aktion jedoch ihren Unwillen gegen die bauvorbereitenden Maßnahmen aus, die der Eigentümer, Anders & Pfanne, eingeleitet hat. Das Haus soll mit öffentlichen Fördermitteln saniert werden, der Baubeginn steht kurz bevor. Es ist jedoch noch rund zur Hälfte bewohnt. Die Mieter befürchten jetzt erhebliche Belästigungen und fühlen sich unter Druck gesetzt. Der Konflikt ging so weit, daß es sogar zu Handgreiflichkeiten kam und der Staatsanwalt ermittelt: Eine Besichtigung des Grundstückes durch den Hauseigentümer Thomas Anders endete auf der Polizeistation, wo sich Eigentümer und Mieter gegenseitig der Körperverletzung bezichtigten, ein Mieter schaltete gar das Konsulat seines Heimatlandes ein.

Handgreiflichkeiten auf dem Hinterhof

Am gleichen Morgen hatten die Mieter in der Hofeinfahrt des Hauses ein Frühstück abgehalten und damit für einige Zeit den Beginn der Bauarbeiten blockiert. Auch da sei, so erzählen sie, Thomas Anders aufgetaucht und hätte ihnen insgesamt 20 Wohnungen aus seinem Bestand als Umsetzwohnungen angeboten, darunter auch in der benachbarten Ackerstraße 145. Die, davon konnten sich die Mieter unschwer überzeugen, ist aber noch voll im Bau, mit einem Umzug wäre also das Wohnen auf der Baustelle nicht zu umgehen.

Die Blockade wurde dennoch aufgehoben, die Arbeiter konnten mit den Gründungsarbeiten für das Errichten des Baukranes beginnen. Am Abend befand sich mitten auf dem Hof ein großer Sandhaufen, den die Mieter flugs mit einem alten Teppich bedeckten und sich hier häuslich niederließen. Als der Eigentümer am selben Abend eintraf, genossen die Mieter den Frühlingsabend im Hof. Über die Details der nun folgenden Handgreiflichkeiten gehen die Berichte auseinander. Mieter erzählen, daß Thomas Anders ohne Grund damit begann, körperlich gegen sie vorzugehen, Thomas Anders wiederum bestreitet das. Ein Mieter habe wie wild auf einer Gasleitung herumgehämmert und damit das ganze Haus gefährdet, so der Hauseigentümer. Der ist freilich für seine gelegentlich etwas ruppig-cholerische Art bekannt. In einem seiner Häuser, der Krausnickstr. 21 in der Spandauer Vorstadt, hatte ihn bereits einmal ein Mieter angezeigt, weil Anders ihm angeblich im persönlichen Streit den Arm ausgekugelt haben soll.

Die Mieter sind verunsichert

Das Engagement der Mieter gegen den Baubeginn läßt sich auf mehrere Gründe zurückführen. Zum einen trauen sie der Standfestigkeit des Untergrundes unter dem Baukran nicht. Hier hätten sich früher einmal unterirdische Benzintanks befunden, so heißt es, der Bereich sei teilweise unterkellert und könne zusammenbrechen. Dem widerspricht der Hauseigentümer: Vor dem Aufstellen eines Kranes wurde die Standfestigkeit von einem Ingenieur berechnet. Nach anderen Informationen haben sich die Benzintanks jedoch an einer anderen, weiter hinter gelegenen Stelle befunden, das Fundament für den Kran ist zudem aus Beton gegossen und breitflächig angelegt: Der deutschen Ingenieurskunst ist also durchaus zuzutrauen, daß sie in der Lage war, einen standsicheren Platz für die Errichtung des Baukranes auszusuchen.

Verunsichert sind außerdem einige Mieter, die keine Haupt-, sondern nur Untermietverträge haben. Sie befürchten, keine Umsetzwohnungen zu erhalten und demnächst auf der Straße zu stehen. Thomas Anders jedoch versichert, von sich aus kein Problem damit zu haben, sofern die Mieterberatung einer Lösung zustimmt. Hier wird jedoch versucht, das Problem unbürokratisch im Einvernehmen mit Hauptmieter und Untermieter zu regeln. Das hat in vielen anderen Häusern schon funktioniert, warum also nicht auch in der Acker 150. "Wenn sich ein Mieter aber querstellt, dann ziehe ich auch vor Gericht", meint Anders jedoch weiterhin und erinnert an die Ackerstraße 145, wo er einen Räumungsprozeß gegen einen Mieter gewonnen hat. Den Fall kennen auch die Mieter in der Ackerstraße 150 und sind entsprechend besorgt.

Härteausgleich erstmals angewendet

Problematisch sind weiterhin die Mietsteigerungen, die mit dem Umzug in sanierte Umsetzwohnungen verbunden sind. "Ich habe drei Kinder und studiere", meint eine Mieterin, "das geht nur, weil ich hier relativ billig wohne und auch bereit bin, die Kohle aus dem Keller zu holen. Wenn ich jetzt in eine Wohnung mit Zentralheizung umziehen muß, die deutlich teurer ist, muß ich eigentlich mein Studium aufgeben. Denn drei Kinder, studieren und nebenbei noch Geld für die höhere Miete verdienen, das geht nicht." Auf ein gefliestes Bad und eine Zentralheizung lege sie demgegenüber keinen besonderen Wert, auch die vergleichsweise niedrigen Mieten in öffentlich geförderten Sanierungswohnungen seien für sie zu hoch.

Das Problem kennt Michael Schwarz, der Mieterberater von dem zuständigen Büro der BfSS, nur zu gut. "Wir haben große Schwierigkeiten, die Familie mit den drei Kindern im Haus mit einer angemessenen Umsetzwohnung zu versorgen" meint er. Zur Zeit seien in Mitte kaum große Wohnungen frei, für die der Bezirk das Belegungsrecht hat. Solche Wohnungen gibt es dagegen in den Nachbarbezirken Prenzlauer Berg und Friedrichshain sogar im Übermaß. Hier haben die Sanierungsverwaltungsstellen sogar große Schwierigkeiten, fertig gestellte öffentlich geförderte große Wohnungen zu belegen. Für eine Familie mit Kindern ist der Umzug in eine Umsetzwohnung im Nachbarbezirk jedoch keine so einfache Entscheidung: die Kinder gehen zur Kita oder zur Schule. Man kann sie nicht so einfach vorübergehend während der Wohnphase in der Umsetzwohnung in einer anderen Kita anmelden. Für die finanziellen Härten, die mit der Sanierung der Wohnung verbunden sind, gibt es dagegen zumindestens theoretisch das Instrument des Härteausgleiches, wobei fünf Jahre lang die Mieterhöhungen teilweise aufgefangen werden. In Mitte wird dieses Instrument jedoch nur in extremen Ausnahmefällen angewandt, weil die Zuwendungen des Senates für solche "Ordnungsmaßnahmen" deutlich zu knapp bemessen sind. Immerhin soll es jetzt in der Ackerstraße 150 zum ersten Mal zum Zuge kommen, so Michael Schwarz.

Sparsame Sanierung bei Anders...

Ein weiterer Grund für den Unmut der Mieter liegt freilich an den Hauseigentümern selbst. Sie haben in der Ackerstraße schon mehrere Objekte mit öffentlichen Mitteln saniert und genießen den Ruf, billige Innenarchitektur zu betreiben. Ein Mieter aus dem Haus Ackerstraße 17 zum Beispiel prozessiert gerade gegen Anders & Pfanne. Immer, wenn in seiner winzigen Dusche der Boden naß werde, tropfe bei seinem Nachbarn das Wasser durch die Decke. Das dürfe eigentlich nicht sein, da die Naßzellen isoliert sein müßten. Offensichtlich, so vermutet der Mieter, sei hier bei der Sanierung am falschen Ende gespart worden. Auch so etwas spricht sich im Ackerstraßenkiez herum - und trägt nicht gerade zur Beruhigung der Gemüter bei.

Christof Schaffelder

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