Ausgabe 21 - 1998berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Iiii, was is´ denn das?

Seit ein paar Tagen hab ich da was an der Nase. Erst dachte ich, es sei ein Pickel, aber Pustekuchen. Spätestens in einem Jahr sieht meine Nase aus wie ein blutiger Blumenkohl. Gut, daß ich kein kleines Kind mehr bin, denn sonst würde ich schwere bleibende Schäden davontragen. Nach Ansicht führender Psychologen ist es nämlich für eine gesunde seelische Entwicklung unbedingt nötig, von Mitgliedern der Primärgruppe liebevoll angeblickt zu werden - und welches Primärgruppenmitglied schaut sich schon freiwillig eine blutige Blumenkohlnase an?
Am liebsten würde ich dieses Etwas an meiner Nase einfach totschweigen. Aber bevor mich jemand darauf anspricht, bevor mich jemand fragt, "Iiih, was ist denn das?", bevor womöglich wildfremde Leute zu mir sagen, "Mensch, das sieht ja eklig aus", sag ich´s also lieber gleich: Ja, ich hab da ein Ekzem.
Und weil´s ein Mitten-im-Gesicht-Ekzem ist, kann man es nicht so einfach totschweigen. Gut, ich geb´s zu, ich hab auch Ekzeme, die ich totschweige, Ekzeme an ganz privaten Körperstellen. Manche Leute lassen ihre Warzen und Ekzeme von weisen Frauen besprechen, ich schweige meine Ekzeme lieber tot. Totschweigen hilft genauso gut wie besprechen.
(Ich glaube, das ist ein Satz, in den man, wenn ich ihn ins allgemein Menschliche hinüberwuchten würde, viel über mich hineindeuten könnte, um es anschließend wieder herauszulesen: "Typisch Mann. Kriegt´s Maul nicht auf, geht allen Konflikten aus dem Weg, überläßt die ganze Beziehungsarbeit der Frau" und so weiter, den kompletten Leporello runter. Deshalb weise ich vorsorglich darauf hin, daß die Behauptung "Totschweigen hilft genauso gut wie besprechen" nur für Ekzeme gilt und nicht für zwischenmenschliche Beziehungen, außer, der eine Mensch ist ein Ekzem.)
Übrigens befindet sich mein totgeschwiegenes Ekzem am Rande meiner linken Achselhöhle. Es ist ein ganz und gar harmloses Ekzem. Eins, das weder schubbert noch suppt. Eins, mit dem ich ohne weiteres ins Freibad gehen kann, sogar in so eins, wo man laut Aushang nicht reindarf, wenn man eine ekelerregende Krankheit hat. Ein Ekzem, das man eigentlich erst auf den zweiten Blick sieht. Ein Ekzem, das seit vielen Jahren einfach da ist, einer Flechte gleich, die ungerührt ihr Dasein fristet irgendwo auf Ayers Rock, dem heiligen Berg der australischen Ureinwohner. Nicht, daß ich mich mit Ayers Rock vergleichen will, oder besser gesagt: Doch, eigentlich will ich mich mit Ayers Rock vergleichen.
Also: Ich und Ayers Rock - ein Vergleich. Zwischen Ayers Rock und mir gibt es Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede. Ayers Rock ist älter als ich, aber ich bin weicher. Vor allem an der Stelle mit dem Ekzem unter der linken Achsel, da bin ich superweich. Wer möchte, darf gern mal fühlen - gegen eine kleine Gebühr, versteht sich.
Wenn ich gegen dieses kaum der Rede werte, geradezu homöopathisch dosierte Ekzem etwas machen wollte, dann müßte ich mindestens in ein antroposophisches Krankenhaus, zum Beispiel ins Krankenhaus Havelhöhe, solang´s das noch gibt. Das Krankenhaus Havelhöhe soll ja wohl geschlossen werden, und auch ich möchte an dieser Stelle mal sagen, daß ich das mißbillige: "Ich mißbillige das." Obwohl ich ja nicht genau weiß, was an einem antroposophischen Krankenhaus so besonders ist. Wird einem da, wenn man mal zu schnell über den Stationsflur humpelt, der Astralleib in einem extra Rollstuhl hinterhergeschoben?
Jedenfalls wollt ich, bevor mich jemand darauf anspricht und uns dadurch in eine für alle Beteiligten - sich, mich und das Ekzem - äußerst peinliche Situation bringt, sagen, daß ich da was an der Nase hab. Damit das ein für alle Mal vom Tisch ist. Danke für Eure Aufmerksamkeit.

Bov Bjerg

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